Die Jungen Liberalen Kiel haben am 17.06.2021 einen kleinen Einblick in die Gemeinde der jüdisch orthodoxen Juden in Kiel erlangen dürfen. Wir wurden von der Geschäftsführerin Frau Ladyshenski im Gemeindezentrum in der Wikingerstraße 6 in Kiel Gaarden empfangen. In einem Vortrag mit anschließender Diskussionsrunde erfuhren wir, wie sich jüdisches Leben in Kiel, aber auch in ganz Schleswig-Holstein, nach dem Krieg nur spärlich entwickelte. Heutzutage leben nach Angaben des Zentralrats der Juden 1092 Mitglieder in schleswig-holsteinischen jüdischen Gemeinden.
Frau Ladyshenski ließ uns auch an ihrer persönlichen Geschichte teilhaben. Schon früh in ihrem Leben, damals noch in der Sowjetunion, hat sie Erfahrungen mit Antisemitismus und struktureller Benachteiligung der jüdischen Gemeinschaft machen müssen. Religiose Zeremonien und Bräuche spielten somit im Leben der Familie kaum eine Rolle, denn Eltern drohten Arbeitslosigkeit oder Kindesentzug, sollte öffentlich werden, dass die jüdische Religion ausgelebt wird.
Eine Zeitungsannonce machte die Familie dann in den frühen 1990er-Jahren auf die Möglichkeit aufmerksam nach Deutschland zu emigrieren. Die Chance, als sogenannte Kontingentflüchtlinge nach Deutschland zu kommen, nutzen insgesamt ca. 220.000 Jüdinnen und Juden, von denen 85.000 den Weg in eine jüdische Gemeinde fanden. Heutzutage sind ca. 90 Prozent der Mitglieder jüdischer Gemeinden Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion.
Trotz der fehlenden Strukturen jüdischen Lebens in Kiel und der strukturellen Benachteiligungen in der Vergangenheit bauten die Gründerinnen und Gründer die Kieler Gemeinde auf. Die jüdisch orthodoxe Gemeinde Kiel fasst heute 410 Mitglieder.
In anschließender Diskussionsrunde sprachen wir über den wachsenden und leider auch in letzter Zeit vermehrt vorkommenden Antisemitismus in Deutschland. Man mag sich an die „Scheiß Juden“-Rufe vor Synagogen in deutschen Großstädten erinnern, oder an den schrecklichen Anschlag auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur dem höchsten jüdischen Feiertag, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Aber es ist auch die, leider alltägliche, Hassrede im Netz, welche gerade im Zuge des Israel-Gaza-Konfliktes noch einmal spürbar zugenommen hat. Traurige Höhepunkte sind Kommentare wie „Auschwitz ist richtig für Juden“, als Reaktion auf einen Besuch der Gemeinde in Auschwitz. Hierbei kristallisiert sich heraus das Hetze und Hassrede im Netz oft nur unzureichend verfolgt und leider allzu oft auch folgenlos bleiben.
Wir sprachen auch über die verschiedenen Formen des Antisemitismus in Deutschland. Antisemitismus kommt sowohl von rechts als auch von links. Es ist aber auch eine Form des muslimischen Antisemitismus erkennbar. Doch wichtig ist es, das betont auch Frau Ladyshenski, dass die Mitte der Gesellschaft nicht schweigt, sondern sich entschlossen den Extremen entgegenstellt. Es ist „zu lange über die jüdische Gemeinde und nicht mit der jüdischen Gemeinde gesprochen worden“, merkt die Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinde zusätzlich an.