Grundsatzprogramm

Präambel

Junge Liberale wollen Politik und Zeitgeschehen mitgestalten. Wir sind davon überzeugt, dass ein gerechtes und schöpferisches Miteinander dauerhaft nur mit klaren Grundsätzen gelingen kann. Im Mittelpunkt dieser Grundsätze müssen der Mensch und seine Freiheit stehen. Deshalb haben wir uns 1994 auf unserem 8. Bundeskongress in Hannover das Grundsatzprogramm „Humanistischer Liberalismus“ gegeben. Es stellt den Menschen und seine Freiheit in den Mittelpunkt unseres politischen Denkens.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch im Zeitalter von Globalisierung und Informationstechnologie wollen wir dafür sorgen, dass der Mensch und seine Freiheit Maßstab in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft bleiben. Mit dieser Denkweise wollen wir die neuen Herausforderungen unserer Gegenwart lösen. Wir beschreiben hier, wie wir uns diese Lösungen vorstellen, um Menschlichkeit und Freiheit für die Zukunft zu bewahren.

Freiheit bedeutet für uns, dass Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit selbstbestimmt und eigenverantwortlich zusammen leben können. Erst diese Freiheit verschafft ihnen den Raum, um in Würde ihr Glück zu suchen. Die freie Entscheidung jedes Menschen soll Maßstab seines Handelns sein – nicht Zwang, der von anderen Menschen ausgeübt wird. Daher darf die Freiheit des einen auch nicht in Zwang für den anderen umschlagen: Wo Interessen von Menschen kollidieren, müssen Lösungen gefunden werden, die ein Höchstmaß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung aller Beteiligten gewährleisten.

Freiheit ist untrennbar mit der Würde des Menschen und der Idee der Gerechtigkeit verbunden. Denn die Würde des Menschen bedeutet, dass jeder Mensch einen Achtungsanspruch gegenüber jedem anderen Menschen und jeder Institution auf Respekt vor seiner Freiheit hat. Gerechtigkeit bedeutet, dass die Menschen im Umgang miteinander diesen Achtungsanspruch akzeptieren und einen Beitrag dazu leisten, dass jeder Mensch seine Freiheit auch tatsächlich leben kann. Die Einheit von Freiheit, Menschenwürde und Gerechtigkeit zeigt, dass der Humanistische Liberalismus keinen Menschen isolieren möchte. Wir wollen nicht, dass Menschen in ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit beziehungslos nebeneinander her leben. Die Einheit von Freiheit, Menschenwürde und Gerechtigkeit stiftet vielmehr eine Beziehung unter den Menschen voller Achtung voreinander. Diese Beziehung ist viel wertvoller als jeder erzwungene Verhaltenskodex. Aus dieser Beziehung folgt auch, dass Freiheit und Solidarität im Humanistischen Liberalismus keinen Widerspruch bilden.

Freiheit heißt immer auch Verantwortung. Wer eine freie Entscheidung trifft, muss die Verantwortung für die Folgen übernehmen. Denn wer selbst entscheidet, aber die belastenden Folgen seiner Entscheidung anderen aufbürdet, der schränkt deren Freiheit ein und handelt daher ungerecht und verantwortungslos. Verantwortung muss auch gegenüber künftigen Generationen wahrgenommen werden. Auch ihnen sollen die negativen Folgen der Entscheidungen von heute nicht aufgebürdet werden. Zwar wissen wir, dass jede Entscheidung immer auch Folgen für die Zukunft hat. Aber spätestens dann, wenn das Verhalten von heute den Entscheidungsspielraum künftiger Generationen nachhaltig einschränkt und wenn sie die negativen Folgen der Entscheidungen von heute nicht mehr umkehren können, setzt Generationengerechtigkeit Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.

Der Mensch

Der Mensch ist Grund und Grenze der Politik. Er ist ihr Grund, weil es nur dort für sie Aufgaben geben kann, wo Menschen ihre verschiedenen Interessen nicht selbst in einen gerechten Ausgleich bringen können. Der Mensch setzt der Politik Grenzen, da jeder politische Gestaltungsanspruch spätestens dann endet, wenn sie Menschenrechte verletzt. Weil der Mensch Grund und Grenze der Politik ist, ist er auch weit mehr als eine Messgröße, um die Wirklichkeit zu analysieren. Seine Würde und seine Freiheit sind das Fundament unserer Ethik. Deshalb ist Humanistischer Liberalismus keine Methodenschule der Wirtschafts- oder Sozialwissenschaften. Er ist Vision für ein gelungenes Zusammenleben freier Menschen.

Jeder Mensch ist an Freiheit gleich. Weder Geschlecht noch Herkunft, weder kulturelle, oder religiöse Identität noch sexuelle Orientierung machen hier einen Unterschied. Wo diese Gleichheit an Freiheit der Menschen bestritten wird, wollen wir sie verteidigen, und wo sie verloren ist, wollen wir sie wieder herstellen.

Jeder Mensch ist einzigartig. Seine Vorlieben und Neigungen, seine Fähigkeiten und Interessen sowie seine eigenen Erfahrungen machen ihn unverwechselbar. Wir wollen Freiräume schaffen und sichern, damit jeder Mensch gemäß seinen eigenen Vorstellungen und Neigungen sein Glück suchen und ein sinnerfülltes Leben in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung führen kann. Die Bindungen, auf die jeder Mensch angewiesen ist und die er auf seinem Weg zu Glück und Sinn eingeht, soll er aus eigener Entscheidung begründen und lösen können.

Der Mensch ist auf Bildung und Erziehung angewiesen, um sich erfolgreich auf die Suche nach Glück und Sinn zu begeben. Denn Bildung setzt ein Mindestmaß an Erziehung voraus und erst Bildung ermöglicht es dem Menschen, seine eigenen Neigungen und Fähigkeiten zu erkennen und sich als Persönlichkeit vollständig zu entfalten. Bildung vermittelt ihm die Fähigkeit, sich durch eigene Leistung materielle Unabhängigkeit zu erarbeiten. Deshalb nimmt in einer Welt mit immer mehr immer besser ausgebildeten Erwerbstätigen die Bedeutung von Bildung für den persönlichen Lebensweg zu. Bildung versetzt den Menschen aber auch in die Lage, die eigene Umwelt kritisch zu hinterfragen und so die geistige Freiheit zu erlangen, um nicht bloßer Spielball anderer zu werden – sei es in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft. Deshalb hat Bildung so große Bedeutung für die Fähigkeit, Freiheit wirklich zu leben, dass jedem Menschen der Zugang zu Bildung nach seinen Fähigkeiten und Neigungen zusteht. Niemandem darf der seinen Neigungen und Fähigkeiten gemäße Bildungsweg weder aufgrund seiner eigenen finanziellen Situation oder der seiner Familie noch aufgrund seiner Milieuzugehörigkeit verwehrt sein.

Bildung hat aber nicht nur in den ersten Lebensphasen eines Menschen Bedeutung. Lebenslanges Lernen wird immer wichtiger. Denn in einer Welt immer schnellerer Veränderungen benötigen Menschen ihr ganzes Leben lang stets neue Kenntnisse und Fähigkeiten, um ein glückliches und sinnerfülltes Leben zu führen. Als Konsequenz muss Bildung besonderen Wert auf Kulturtechniken legen, die für Lebenslanges Lernen unerlässlich sind, und Lerntechniken vermitteln. Dazu gehören der Umgang mit Informationstechnologien und die kritische Würdigung von Information. Wer weiß, wie man lernt, braucht im Zeitalter des Lebenslangen Lernens auch Angebote zur Weiterbildung. Den Zugang zu Bildung und Lebenslangem Lernen soll der Staat fördern, damit auch jeder Mensch Zugang zu Informationen und Weiterbildung erhält. Denn der Zugang zu Informationen nimmt Einfluss darauf, ob ein Mensch selbstbestimmt handeln kann oder manipulierbar wird. Fördern heißt nicht, dass der Staat die Bildungsangebote selbst organisieren muss. Er kann ebenso gut Leistungen für die Wahrnehmung privater Bildungsangebote gewähren.

Die Familie

Der Mensch braucht nicht nur Bildung, sondern auch Geborgenheit, Liebe und Anerkennung. In seinen ersten Lebensjahren braucht er Erziehung, die ihm gewaltlos den Weg weist, um zu anderen Menschen offen und mit Respekt in Beziehung zu treten. Dies alles erfährt er idealerweise zuerst in der Familie. Sie gibt ihm die Kraft und den Mut, sein Leben selbstbewusst und mit Respekt vor anderen zu gestalten. Auch auf seinem weiteren Lebensweg kann die Familie Liebe, Geborgenheit und Anerkennung spenden. Die Familie erfüllt daher wichtige Aufgaben und deshalb ist es auch richtig, dass das Grundgesetz die Familie schützt.

Unser Familienbild ist offen: Familie ist für uns das gemeinsame Zusammenleben von Erwachsenen mit Kindern, in dem die Erwachsenen dauerhaft Verantwortung für die Kinder übernehmen, oder von Erwachsenen, in dem diese dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Nur dieses offene Familienbild wird der Wirklichkeit gerecht. Denn die Aufgaben der Familie übernehmen heute nicht mehr nur Lebensgemeinschaften von leiblichen Eltern mit ihren Kindern oder die Ehe samt klassischen Verwandtschaftsverhältnissen. In der Wirklichkeit von heute leben beispielsweise Alleinerziehende mit Kindern, Patch-work-Familien oder schwule oder lesbische Paare mit Kindern oder ohne Kinder. Menschen ohne geschlechtliche Beziehung zueinander bilden auf Dauer angelegte Gemeinschaften, um sich etwa die Unabhängigkeit von Alten- und Pflegeheimen zu bewahren oder um schlicht das Leben zusammen zu meistern. In all diesen Formen nehmen Menschen aus freier Entscheidung Verantwortung füreinander wahr und bilden Verantwortungsgemeinschaften. Deshalb sind diese Verantwortungsgemeinschaften ebenso schutzwürdig wie die klassische Familie. Für den Schutz und die Förderung der klassischen Familie wie der modernen Familie im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft setzen wir uns ein.

Viel zu lange hat die Politik Familien mit Kindern als selbstverständlich vorausgesetzt und geglaubt, dass sie ihre Aufgaben voraussetzungsfrei erfüllen können. Die Wirklichkeit ist jedoch anders: Viel zu häufig müssen Menschen, die eine solche Familie planen, zweifeln, ob sie sich dafür entscheiden können. Sie müssen zwischen Kindern und Karriere entscheiden. Sie müssen zwischen der finanziellen Sicherheit mehrerer Einkommen oder der Gewissheit, dass die eigenen Kinder den ganzen Tag über gut versorgt sind, entscheiden. Das wollen wir ändern! Die Arbeitswelt soll genügend Raum für die Gründung von Familien mit Kindern lassen. Weder Frauen noch Männer sollen zwischen Beruf und Kindern entscheiden müssen, sondern beides soll in ihrem Leben vereinbar sein. Wer Kinder erzieht, soll dadurch keine Sorge um seine finanzielle Absicherung im Alter haben müssen.

Leben in einer klassischen oder modernen Familie Kinder, so steht an erster Stelle das Kindeswohl. Dies folgt aus der Verantwortung der Eltern aufgrund ihrer freien Entscheidung für Kinder. Damit diese Entscheidung wirklich frei ist, setzen wir uns für Aufklärung unabhängig von kultureller Tradition, Herkunft und Geschlecht ein.

Der Staat soll Familie unterstützen. Er kann und soll sie aber nicht als gesellschaftliche Institution ersetzen: Er kann es nämlich nicht, weil Geborgenheit und Liebe nur durch persönliche Verbundenheit, niemals aber im Wege staatlicher Aufgabenerfüllung vermittelt werden können. Er soll es aber auch nicht, da eine staatliche Einheitserziehung nicht selbstbewusste Individuen hervorbringt, sondern uniforme Charaktere. Eingriffe durch staatliche Institutionen soll es nur in Fällen geben, in denen eine Familie ihre Fürsorgepflichten für die Kinder, die in ihr leben, grob vernachlässigt. Das Erziehungsrecht darf den Eltern auch im Interesse des Kindes nur dann entzogen werden, wenn das Kindswohl dauerhaft gefährdet ist.

Die Gesellschaft

Der Mensch strebt nach Selbstverwirklichung und Anerkennung. Deshalb wollen wir eine freie Gesellschaft. In der freien Gesellschaft können Menschen eigenverantwortlich und in frei gewählten Bindungen mit anderen ihr Leben und ihre Umwelt gestalten und sich so auf der Suche nach einem glücklichen und sinnerfüllten Leben selbst verwirklichen. Die freie Gesellschaft lebt von der Vielfalt, die beispielsweise Vereine, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Parteien, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften oder Religionen anbieten. Diese Vielfalt schafft Freiheit, weil sie Wahlmöglichkeiten eröffnet, und bleibt nur dann erhalten, wenn die Gesellschaft stets die Offenheit und Toleranz behält, neue Angebote anzunehmen.

Jeder Mensch soll in der Vielfalt der verschiedenen Angebote für ein glückliches und sinnerfülltes Leben frei wählen können. Weder gesellschaftlicher Druck, noch staatlicher Zwang sollen den einzelnen Menschen hier bevormunden. Eine Tyrannei der herrschenden Meinung darf es nicht geben. Wir vertrauen auf die Kraft und Vernunft des einzelnen Menschen, um die für den Entwurf des eigenen Lebens richtigen Entscheidungen zu treffen. Es ist Aufgabe des liberalen Staates, echte Wahlfreiheit auch gegen gesellschaftliche Zwänge zu garantieren. Beispielsweise müssen Frauen und Männer in allen Lebensbereichen die gleichen Möglichkeiten haben, sich zu verwirklichen.

Vielfalt braucht eine offene Gesellschaft. Wo Menschen wegen ihrer Herkunft oder Gedanken, ihrer Wertvorstellungen oder Behinderungen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, gibt es keine Freiheit. Engstirnigkeit und Stimmungsmache gegen Minderheiten haben in der freien Gesellschaft keinen Platz. Wer am Rande der Gesellschaft steht, dem müssen Brücken zurück in ihre Mitte gebaut werden.

In der freien Gesellschaft ist qualifizierte Zuwanderung willkommen. Sie ist ein Zeichen dafür, dass eine Gesellschaft attraktiv für andere ist.  Der Weg in die Mitte der Gesellschaft setzt voraus, dass jeder, der ihn geht, das geltende Recht ohne Ausnahme respektiert und die Fähigkeit besitzt, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Wer ihn gehen will, soll die Sprache der Gesellschaft sprechen können, in der er sich bewegt. Wer dazu Hilfe benötigt, für den soll es Angebote geben, um die deutsche Sprache zu erlernen.

Eine Gesellschaft in Vielfalt braucht das Leistungsprinzip. Denn nur das Leistungsprinzip verhindert, dass gesellschaftliche Positionen nach Herkunft, Gesinnung oder Geschlecht vergeben werden. Es ermöglicht jedem Menschen die Chance auf sozialen Aufstieg, den er sich selbst erarbeiten kann. Deswegen ist eine liberale Gesellschaft immer auch eine soziale Gesellschaft. Leistungsprinzip und soziale Verantwortung sind deshalb keine Gegensätze, sondern gehören zusammen. Das setzt jedoch voraus, dass Menschen aus allen gesellschaftlichen Milieus auch reale Chancen auf sozialen Aufstieg besitzen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass alle Menschen die Möglichkeit zu sozialem Aufstieg durch eigene Leistung haben. Das wichtigste Instrument für diesen Zugang ist das Bildungssystem.

Selbstverwirklichung und gesellschaftliche Anerkennung hängen nicht nur von wirtschaftlich messbaren Leistungen ab. Gesellschaftliche Tätigkeiten sind für die Lebendigkeit der freien Gesellschaft wichtig und daher ebenso anerkennenswert. Politik hat deshalb die Aufgabe, auch diesen gesellschaftlichen Leistungen zur Anerkennung zu verhelfen.

In der Vielfalt der Gesellschaft steckt die Kraft, die Lösungen für die Herausforderungen einer sich ständig verändernden Welt zu finden. Der Gesellschaft gebührt daher der Vorrang vor dem Staat bei der Lösung von Problemen. Das Innovationspotential der Gesellschaft darf nicht durch ein Problemlösungsmonopol des Staates verdrängt werden. Wir setzen uns für eine selbstbewusste Bürgergesellschaft ein, in der die Menschen sich zuerst zusammen mit anderen Bürgern den Problemen stellen, bevor der Staat ihnen die Lösungen vorgibt.

Das Problemlösungspotential der Gesellschaft entfaltet sich nur mit freier Wissenschaft und Forschung. Nur in einem gesellschaftlichen Klima ohne Denkverbote und ohne Unterdrückung von Erkenntnis können die Grundlagen für Fortschritt gelegt werden. Technologischer Fortschritt ermöglicht neue Entwicklungsperspektiven zur Lösung ansonsten nicht lösbarer gesellschaftlicher Herausforderungen wie Energiesicherheit, globaler Nahrungsmittel- und Trinkwasserversorgung oder steigender Mobilitätsbedürfnisse. Humanistischer Liberalismus hat keine Angstreflexe gegen neue Erkenntnisse und ihre Umsetzung in neue Technologien. Jedoch stellt Humanistischer Liberalismus die Würde des Menschen stets über der Freiheit der Forschung. Daher ist klar, dass Forschung, die die Menschenwürde verletzt, unterbleiben muss.

Vielfalt schafft auch Konflikte, denn nicht wenige Angebote für ein sinnerfülltes und glückliches Leben konkurrieren miteinander. Konflikte sind aber nicht von Natur aus ein Problem, sondern können äußerst wertvoll sein, wenn sie in den Bahnen des produktiven Streits geführt werden. Dann können sie die Quelle für Fortschritt, Kreativität, neue Erkenntnisse und kulturelle Errungenschaften sein. Produktiver Streit ist zwingend auf die Werte der Gewaltlosigkeit und Toleranz angewiesen. Gewaltlosigkeit und Toleranz sind daher das unverzichtbare Fundament der freien Gesellschaft. Toleranz heißt nicht, alles richtig finden zu müssen, was andere denken und tun; Toleranz heißt vielmehr, die Freiheit des anderen zu respektieren, anders zu denken und zu handeln als man selbst. Das bedeutet auch, dass die vorherrschenden Ansichten über das sinnerfüllte und glückliche Leben keinen Vorrang vor anderen besitzen und daher niemanden berechtigen, sie anderen Menschen gegen ihren Willen aufzudrängen. Die Grenzen der Toleranz sind jedoch erreicht, wenn die eigene Freiheit oder die Freiheit anderer bedroht wird. Humanistischer Liberalismus kennt keine Toleranz gegenüber der Intoleranz.

Humanistischer Liberalismus bedeutet auch, nicht die Augen davor zu verschließen, dass sich viele Menschen auch in einer toleranten Gesellschaft durch Vielfalt verunsichert fühlen. Sie zweifeln an eigenen Entscheidungen, wenn sie merken, dass andere einen anderen Weg einschlagen. Sie fühlen sich in ihrer eigenen Identität bedroht. Im schlimmsten Fall ist dies die Wurzel für Ausgrenzung, Intoleranz und Gewalt. Wir setzen auf Dialog und Austausch, um den Menschen vor Augen zu führen, dass im Anderssein des anderen kein Angriff auf die eigene Identität liegt. Wir sind davon überzeugt, dass Mitmenschlichkeit und Rücksichtnahme stärker sind als Angst und Verunsicherung. Das erfordert von allen Beteiligten aber ein Bekenntnis zu Gewaltlosigkeit, Respekt und Toleranz dem anderen gegenüber. Wer die Grenze zur Gewalt überschreitet, dem entgegnen wir mit der vollen Härte des Rechtsstaates.

Der Markt

Menschen haben nicht nur das Bedürfnis nach Geborgenheit, Liebe und Anerkennung. Sie haben auch materielle Bedürfnisse. Soweit diese über Nahrung, Kleidung und Unterkunft hinausgehen, sind sie so unterschiedlich, wie die Menschen zahlreich sind. Soziale Marktwirtschaft hat sich als menschlicher, erfolgreicher und freiheitlicher Prozess bewährt, um die vielfältigen materiellen Bedürfnisse der Menschen so gut wie möglich zu befriedigen.

Dieser Prozess ist so erfolgreich, weil die Menschen in der Marktwirtschaft miteinander kooperieren: Auf dem Markt treten sie als Anbieter und Nachfrager in Kontakt miteinander. Sie koordinieren und informieren sich hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse und Probleme. Die Nachfrager informieren die Anbieter über die Bedeutung einer Ware oder Dienstleistung, indem sie bereit sind, bestimmte Preise dafür zu bezahlen. Die Anbieter informieren die Nachfrager über den Aufwand, der damit verbunden ist, indem sie bestimmte Preise dafür verlangen. In der Marktwirtschaft arbeiten die Menschen also grundsätzlich miteinander und nicht gegeneinander. Das Koordinations- und Informationssystem des Marktes funktioniert jedoch nur dann gut, wenn sich die Preise frei bilden können. Staatliche Eingriffe in den Preisbildungsmechanismus sollen daher möglichst nicht stattfinden.

Ein funktionierender Markt führt zu Fortschritt und Innovation. Unter den Bedingungen des Wettbewerbs suchen die verschiedenen Anbieter nach Wegen, die Bedürfnisse der Nachfrager besser und günstiger zu befriedigen. Das tun sie nicht aus Selbstlosigkeit, sondern aus Eigennutz. Unter Bedingungen von Markt und Wettbewerb wirkt sich dieses eigennützige Verhalten jedoch gemeinnützig aus. Unter funktionierenden Marktbedingungen besteht daher kein zwingender Widerspruch zwischen Eigen- und Gemeinnützigkeit.

Wir wissen, dass die Funktionsfähigkeit des Marktes von Voraussetzungen abhängt. Wenn etwa einzelne Anbieter den Wettbewerb ausschalten wollen, muss der Markt vor ihnen geschützt werden. Jeder muss das Recht haben, sich am Wettbewerb zu beteiligen. Das gilt für alle Marktteilnehmer – weltweit. Wettbewerb und Marktzugang zu sichern, ist Aufgabe der Politik. Es gibt Ausnahmesituationen, in denen der Markt nicht zu bestmöglichen Ergebnissen führt. Der Staat soll in solchen Fällen jedoch nur dann eingreifen, wenn feststeht, dass dieser Eingriff zu einer besseren Lösung führt. Denn Marktversagen soll nicht durch Staatsversagen ersetzt werden.

Marktwirtschaft bedeutet, dass Wohlstand nach Leistung verteilt wird. Dieser Zusammenhang ist gerecht und unverzichtbar, wenn der Markt weiter zu Fortschritt und Innovation motivieren soll. Humanistischer Liberalismus bedeutet zugleich, dass auch denjenigen, deren Leistungsfähigkeit vorübergehend oder dauerhaft begrenzt ist und die deshalb nicht durch Leistung an der Verteilung des Wohlstandes beteiligt sind, ein menschenwürdiges Leben garantiert wird. Die Gewissheit, dass das soziokulturelle Existenzminimum gesichert ist, gehört zur Freiheit, die der Humanistische Liberalismus meint. Die Sicherung des Existenzminimums durch den Staat muss aber so organisiert sein, dass sie Anreize enthält, sich nach Kräften um einen eigenen Beitrag zum Lebensunterhalt zu bemühen. Unser Vorschlag dazu lautet Bürgergeld: Einerseits sichert es die Existenz jedes Bürgers durch einen Pauschalbetrag materiell ab. Andererseits bleibt es attraktiv, wenigstens einen Teil zum eigenen Lebensunterhalt beizutragen. Denn das selbstverdiente Einkommen wird nur teilweise von diesem Pauschalbetrag abgezogen. Jemand der arbeitet, hat dann immer ein höheres Einkommen als jemand, der nicht arbeitet.

Der Staat

Der Staat ist ein Werkzeug der freien Gesellschaft, um Menschen gelebte Freiheit zu ermöglichen. Er schützt ihre Freiheit vor Übergriffen anderer und sichert die Chance auf ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben.

Diese Aufgaben kann der Staat nur erfüllen, wenn er demokratisch verfasst ist: Nur so ist die Kontrolle der Staatstätigkeit durch die freie Gesellschaft gewährleistet und nur so kann das Potential der freien Gesellschaft für die Lösung staatlicher Probleme genutzt werden. Denn allein demokratische Institutionen ermöglichen jedem Bürger die Teilhabe an Staatsangelegenheiten und machen sich über die öffentliche Debatte das in der Gesellschaft verstreute Wissen zu Nutze. In der modernen repräsentativen Demokratie sollen deswegen gerade auch Parteien möglichst vielen Bürgern die Möglichkeit geben, Politik selbst zu gestalten. Die Liberalen müssen hier Vorbild für Andere sein. Als Werkzeug der freien Gesellschaft besitzt der Staat keinen Wert an sich. Wo sich zeigt, dass die Bürger Angelegenheiten genauso gut eigenverantwortlich und gleichberechtigt selbst regeln können, endet seine legitime Tätigkeit.

Wer Bürger eines Staates ist, soll nicht allein eine Frage der Herkunft sein. Freiheit bedeutet auch, dass die Staatsbürgerschaft wechseln kann. Das setzt aber voraus, dass sie auch anders als durch Geburt erworben werden kann. Daher soll jeder Mensch die Staatsbürgerschaft erwerben können, der dauerhaft in einem Staat lebt, dessen Sprache spricht und sich zu dessen Werten bekennt. Jenseits der Staatsbürgerschaft sollen auf der Ebene der Gemeinden auch Ausländer mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel bei demokratischen Prozessen mitentscheiden können.

Jeder Staat ist der Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet. Sie umschreiben rechtliche Grenzen für Eingriffe des Staates in Lebensbereiche, die für tatsächlich gelebte Freiheit besonders wichtig sind. Sie werden dem Menschen nicht verliehen, sondern er wird mit ihnen geboren. Humanistischer Liberalismus stellt sich jeder staatlichen Aktivität in den Weg, die Menschenrechte verletzt. Er verteidigt entschlossen die Grundrechte des Grundgesetzes.

Unser liberales Gesellschafts- und Staatsverständnis verbietet grundsätzlich die Heranziehung zu staatlichen Zwangsdiensten. Der Staat ist nicht dazu berechtigt, derart in die Lebensgestaltung junger Menschen einzugreifen. Darüber hinaus machen weder die internationale Sicherheitslage noch der Zustand der innergesellschaftlichen Solidarität Zwangsdienste erforderlich.

Mit der Veränderung der Welt verändern sich auch die Lebensbereiche, die für gelebte Freiheit besonders wichtig sind, und vor dem Zugriff des Staates geschützt werden müssen. In der Welt der Wissens- und Informationsgesellschaft gehört dazu das Recht, selber darüber entscheiden zu können, wer was über einen selbst weiß. Jeder Mensch soll Herr der Daten und Informationen über ihn und sein Leben sein. Denn eine menschliche Gesellschaft braucht Privatsphäre. Deshalb muss der einzelne Mensch vor Angriffen auf seine Privatsphäre sowohl vor dem Staat als auch vor Privaten geschützt werden. Es gibt einen Kernbereich privater Lebensführung, der auch dem Staat absolute Grenzen setzt. Dieser Schutz muss sich auch auf die neuen Orte privater Lebensführung im Informationszeitalter erstrecken: Auch der Computer oder das Mobiltelefon, in denen heute jeder Mensch ganz persönliche Daten speichert, müssen geschützt sein wie es früher vielleicht nur die Wohnung war. Der ungehinderte Zugang zu Informationen ist zudem Vorraussetzung für Freiheit, Gleichheit und die persönliche Entfaltung aller Menschen. Das Internet hat hier weltweit eine Schlüsselposition eingenommen. Die Freiheit des Internets und der ungehinderte Zugang zu diesem, sollen uneingeschränkt garantiert werden. Der Staat darf hier nicht eingreifen.

Wo die Gebote der Gewaltlosigkeit und der Toleranz gegenüber anderen missachtet werden, muss der Staat sie durchsetzen. Ohne Sicherheit kann Freiheit nicht gelebt werden. Sicherheit ist aber allein kein Wert an sich. Sie dient der Freiheit. Der Staat verfehlt daher seinen Zweck, wenn er bei der Bekämpfung von Kriminalität mehr Freiheit seiner Bürger vernichtet als er bewahrt. Humanistischer Liberalismus stellt sich jeder Politik in den Weg, die die Ängste der Menschen vor Gewalt und Kriminalität schürt und ausnutzt, um ihnen ein Stück ihrer Freiheit zu nehmen. Wo Eingriffe in Grund- und Menschenrechte zur Bekämpfung von Gewalt und Kriminalität stattfinden sollen, muss konkret feststehen, dass hierdurch mehr Freiheit bewahrt als vernichtet wird. Das gilt auch, wenn Kriminelle grenzüberschreitend handeln wie beim internationalen Terrorismus. Die grund- und menschenrechtlichen Bindungen deutscher Amtsträger gelten auch im Ausland. Folter und andere grund- und menschenrechtswidrige Praktiken zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr dürfen sich deutsche Behörden nie zu Nutze machen unabhängig davon, wo und durch wen sie angewendet werden.

Wenn der Staat die Gebote der Gewaltlosigkeit und der Toleranz gegenüber anderen durchsetzt, dann geschieht das auch, um in der Gesellschaft Vielfalt gegebenenfalls unter Bedingungen des produktiven Streits zu ermöglichen. In diesem produktiven Streit kommt dem Staat die Rolle des neutralen Moderators zu. Er hat in der Frage nach dem glücklichen und sinnerfüllten Leben seiner Bürger nicht Partei zu ergreifen. In der Tradition der europäischen Aufklärung treten wir für einen säkularen, weltanschaulich neutralen Staat ein. Deshalb muss der Staat etwa die strikte Gleichbehandlung der verschiedenen Glaubensbekenntnisse, wozu auch die Überzeugung, nicht zu glauben, zählt, sicherstellen. Humanistischer Liberalismus ist keine Kampfansage an religiöse Überzeugungen. Der Mensch muss sich aber frei von staatlicher Bevorzugung oder Benachteiligung für oder gegen solche Überzeugungen entscheiden können. Glaube, der jedoch gegen freiheitlich demokratische Grundordnung arbeitet, darf nicht diese als Schutzmantel missbrauchen.

Jeder Staat braucht Geld, um seine Aufgaben zu erfüllen. Deshalb muss er Steuern erheben können. Denn wir wollen nicht, dass sich der Staat als Unternehmer betätigt, um an Geld zu gelangen, und seinen Bürgern Konkurrenz macht. Aber ebenso wie der Staat sich auf die notwendigen hoheitlichen Aufgaben konzentrieren soll, muss er auch Maß halten bei den Steuern, die er zur Finanzierung dieser hoheitlichen Aufgaben erhebt.

Nimmt der Staat Schulden auf, belastet er regelmäßig künftige Generationen. Denn Politik entwickelt immer neue Ideen, wie das Geld ausgegeben wird, aber nicht, wie Schulden wieder abgebaut werden. Die Zinslasten schränken dann den finanziellen Gestaltungsspielraum künftiger Generationen ein. Daher wollen wir dem Staat die Schuldenaufnahme im Grundgesetz verbieten Abweichungen dürfen nur in Ausnahmefällen möglich sein, wenn eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag dies beschließt und ein verbindlicher Tilgungsplan für die neu aufgenommen Schulden festgelegt wird.

Staaten sind heute Nationalstaaten. Doch diese befinden sich im Zeitalter der Globalisierung im Wandel. In diesem Prozess setzen wir uns gemeinsam mit Liberalen in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dafür ein, diese zu einem europäischen Bundesstaat fortzuentwickeln. Denn die Europäische Union ist nicht nur ein historisches Erfolgsprojekt, das Frieden und Wohlstand in Europa bewirkt hat und auch im Zeitalter der Globalisierung sichern wird, sondern bietet auch Antworten auf zukünftige Herausforderungen. Ein europäischer Bundesstaat ist ebenso wie jeder Nationalstaat nur ein Instrument, um Freiheit zu verwirklichen. Deshalb muss er an eine demokratische Verfassung mit effektiver Gewaltenteilung und Grundrechten gebunden sein, die den Gedanken der Menschenrechte gerecht werden. Um der Gefahr von Machtkonzentrationen und Bürgerferne zu begegnen, muss ein europäischer Bundesstaat föderal organisiert und rechtlich an ein effektives Subsidiaritätsgebot gebunden sein. Dem europäischen Gesamtstaat sollen dabei nur Aufgaben zukommen, die er besser erledigen kann als die Gliedstaaten.

Die Weltgemeinschaft

Die Weltgemeinschaft ist Wirklichkeit. Heute betrifft sie nicht mehr nur die internationale Politik. Menschen erfahren sie in ihrem Alltag. Die Beziehungen zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Teilen der Welt sind einfacher, schneller und intensiver geworden. Soziale Kontakte hängen immer weniger von räumlichen Distanzen ab. Da der Humanistische Liberalismus die Welt vom Menschen her denkt, gelten für die Weltgemeinschaft die gleichen Gestaltungsgrundsätze wie für den Nationalstaat. Denn jeder Mensch ist frei geboren. Die Menschenrechte gelten universell und über Grenzen von Kultur und Kontinenten hinweg. Außen- und Innenpolitik eines jeden Staates sind Freiheit und Menschenrechten verpflichtet.

Wir sehen die besondere Aufgabe eines europäischen Bundesstaates darin, in der Weltgemeinschaft seine Stimme kraftvoll für die weltweite Geltung von Menschenrechten und Demokratie zu erheben. Freiheit, Toleranz und Respekt vor dem Menschen sind zwar Werte, die in vielen Kulturen auch außerhalb Europas ihre Heimat haben. Der europäische Bundesstaat soll aber Fürsprecher und Förderer für all diejenigen Kräfte in der Welt sein, die in ihren Kulturen, Gesellschaften und Staaten jeweils den Weg zu Menschenrechten und Demokratie einschlagen wollen.

Die Weltgemeinschaft ist dem Frieden der Staaten untereinander verpflichtet. Internationale Märkte fördern den Frieden. Denn Bürger verschiedener Staaten, die miteinander handeln, haben ein Interesse an friedlichen Verhältnissen. Marktwirtschaft bewirkt also nicht nur mehr Wohlstand für mehr Menschen, sondern sichert auch Frieden. Globalisierung bietet daher nicht nur große Chancen für mehr Wohlstand in den Entwicklungsländern, sondern auch für mehr Frieden auf der ganzen Welt. Wir setzen uns daher für den Abbau von Handelsbarrieren ein. Insbesondere Entwicklungsländer leiden unter dem gegenwärtig durch die Industriestaaten praktizierten Protektionismus. Daher setzen wir uns für echten Freihandel als effektivste Form der Entwicklungspolitik ein. Wir wollen zudem eine gesamteuropäische Entwicklungszusammenarbeit, die die Menschen in den betroffenen Staaten in die Lage versetzt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Unter den Bedingungen der Globalisierung verflechten sich die Staaten kulturell, sozial und wirtschaftlich immer mehr. Ökologische Probleme wie der Klimawandel oder pandemische Infektionskrankheiten können nicht mehr durch einen einzelnen Nationalstaat gelöst werden. Deshalb spielen in der Wirklichkeit der Weltgemeinschaft immer mehr internationale Organisationen eine wichtige Rolle. Wir begrüßen diese Form der internationalen Kooperation, weil sie den Austausch von Wissen unter den Staaten fördert und Wege zur friedlichen Konfliktbereinigung bereitstellt. So wertvoll internationale Organisationen aber auch sind, so dürfen sie doch nicht unkontrolliert handeln: Für sie müssen die gleichen menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Bindungen gelten wie für Nationalstaaten. Dazu gehört aus unserer Sicht auch Transparenz und Öffentlichkeit.

Internationale Organisationen sind Instrumente zur Regelung globaler Probleme und Konflikte und dienen unter anderem der Sicherung des weltweiten Friedens. Deshalb müssen Staaten, die globalen Einfluss hinzugewonnen haben, angemessen in diesen Organisationen eingebunden werden. Nur so wird gewährleistet, dass Konflikte über Argumente am Verhandlungstisch statt durch ein neues Wettrüsten beendet werden.

Wo sich humanitäre Katastrophen anbahnen, Menschenrechte mit Füßen getreten werden oder Frieden dauerhaft bedroht wird, ist die Weltgemeinschaft zum Handeln aufgerufen. Vorrang haben hier friedliche Mittel der Diplomatie. Wo sie aber versagen, kommen als ultima ratio auch militärische Mittel in Betracht, diese müssen angemessen und völkerrechtlich legitimiert sein. Vorraussetzung hierfür ist ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.

Die Erde

Ein glückliches und sinnerfülltes Leben ist nur auf einer Erde möglich, in der die natürlichen Lebensgrundlagen intakt sind. Der Mensch ist verpflichtet, die Natur in ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit für die derzeitigen und die nachfolgenden Generationen zu bewahren.

Deshalb steht Humanistischer Liberalismus für die Fortentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zur sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. Wir setzen vorrangig auf die Effizienz und das Innovationspotenzial von marktwirtschaftlichen Instrumenten, um die Ökosysteme der Erde zu bewahren. Denn der Schutz der Erde ist letzten Endes auch eine Frage der nachhaltigen Ressourcennutzung und verantwortlichen Überformung der Natur: Er verlangt danach, dass wir nur diejenige Menge an Ressourcen nutzen und nur diejenigen Veränderungen an der Natur vornehmen, die unsere Ökosysteme verkraften können, um mehr Wohlstand für mehr Menschen zu verwirklichen. Marktwirtschaft mit den richtigen Rahmenbedingungen sorgt dafür, dass Ressourcen möglichst schonend genutzt werden. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört, dass Preise für die Ressourcennutzung auch die ökologischen Kosten widerspiegeln. Daher setzen wir uns für eine marktwirtschaftliche Preisbildung von ökologischen Produktionsfaktoren ein. Wege dazu sind beispielsweise Emissions-Zertifikate.

Beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen handelt es sich oftmals auch um globale Herausforderungen. Hier sind alle Staaten der Erde aufgefordert, ihren angemessenen Beitrag zu leisten. Die Industrienationen stehen hier besonders in der Pflicht. Aber auch neu aufstrebende Staaten und Entwicklungsländer sind gefragt. Ihr Beitrag wird jedoch nur dann angemessenen sein, wenn Wege gefunden werden, um allen Staaten Wirtschaftswachstum auf eine umweltverträglichere Weise zu ermöglichen als es die Industrienationen in der Vergangenheit generiert haben. Denn einerseits werden die Ökosysteme weltweites Wachstum nach diesem Vorbild nicht verkraften und andererseits hat niemand das Recht, den Menschen in aufstrebenden Staaten und den Entwicklungsländern den Wunsch nach mehr Wohlstand zu verbieten. Solche Wege werden die Entwicklungsländer nur einschlagen können, wenn ihnen die Industrienationen hierfür Wissen zur Verfügung stellen, das für dieses umweltverträgliche Wachstum notwendig ist.

Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen heißt auch Schutz der Artenvielfalt. Denn ohne Artenvielfalt gibt es keine stabilen Ökosysteme. Je ärmer die Welt an Arten wird, desto labiler werden auch ihre Ökosysteme und umso leichter werden diese selbst durch kleinere Veränderungen ihrer Umweltbedingungen gefährdet.

Der Grundgedanke des Humanistischen Liberalismus ist Menschlichkeit. Doch auch eine Ethik, deren Fundament der Mensch selbst ist, erkennt ganz selbstverständlich unsere menschenrechtliche Verantwortung für andere Lebewesen an. In diesem Geist setzt sich der humanistische Liberalismus für Tierschutz ein; unnötiges Leid soll verhindert werden und artgerechte Lebensumstände sind, wo immer möglich, zu gewährleisten.

Handeln für die Zukunft

Humanistischer Liberalismus ist für die Zukunft gedacht. Zukunft wird aber nicht auf dem Papier gemacht. Deshalb wollen wir die hier beschriebenen Grundsätze in politisches Handeln umsetzen. Unser politisches Handeln dient mehr Freiheit für mehr Menschen, einer offenen und toleranten Gesellschaft, einem Staat, der den Grundrechten verpflichtet ist, einer friedlichen Weltgemeinschaft, in der die Menschenrechte gelten, und dem weltweiten Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Wir wollen diese Ziele für uns und künftige Generationen verwirklichen. Dafür suchen wir Verbündete. Unser natürlicher Verbündeter in Deutschland ist die FDP. Darüber hinaus wollen wir mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften zusammenarbeiten, die sich den gleichen Zielen verpflichtet fühlen wie wir.